Oradour – Eine Warnung an die Menschheit

 

„Man darf die Nazibarbarei nicht mit Deutschland gleich setzen. Man muss Börne, Büchner, Heine in Frankreich lesen, um zwischen dem unsterblichen Deutschland und seinen Herren für einen Tag unterscheiden zu können. Und vor allem, man muss die Namen von heute nennen, die Hoffnung und Hymne  der Zukunft bedeuten: Thomas Mann, Bert Brecht, Heinrich Mann, Anna Seghers, Lion Feuchtwanger, Willi Bredel, Emil Ludwig, Egon Erwin Kisch, Erich- Maria Remarque, Ludwig Renn, Franz Werfel, Musil ...

In ihren glühenden Worten, ihrem Talent, ihrem Zorn findet man das große, geknebelte Volk wieder.

Alles, was wirklich französisch in Frankreich ist, müsste dieses Deutschland des Exils kennen, lieben und verteidigen“ diese Worte schrieb die junge Denise Bardet aus Oradour in ihr Tagebuch. Am 10. Juni 1944 vernichtet die SS-Division „Das Reich“ das kleine französische Dorf. Die Männer, Frauen und Kinder, Greise und Kranke  werden auf den Markt zusammen getrieben. Wenige Stunden später sind 642 Menschen tot. Sie wurden erschossen oder bei lebendigem Leibe verbrannt. Auch die 24-jährige Lehrerin Denise Bardet wurde  mit ihrer Klasse in der kleinen Kirche des Ortes ermordet.

Nach 60 Jahren wurden erstmals auch Deutsche zu den Gedenkveranstaltungen nach Tulles und Oradour (sur Glane) eingeladen. Dank Gesine Lötzsch, die einigen Jugendlichen die Reise finanzierte, durfte auch ich mich mit anderen jungen Leuten, auf den Weg nach Frankreich machen.

In Limoges trafen wir mit den deutschen Résistance-Kämpfern Gerhard Leo und Ernst Melis zusammen. Von den beiden Genossen konnte ich in den folgenden Tagen sehr viel lernen. Ihr Leben war bestimmt vom Kampfe gegen Naziterror und Krieg.

Am 9. Juni trafen wir in Tulles einige französische Kämpfer der Résistance. Sie erzählten uns von ihren Erlebnissen und Erfahrungen. Gleichzeitig betonten sie die Wichtigkeit unserer Reise. Nach den Gesprächen nahmen wir an den Trauermarsch in Tulles teil, hier wurden am 9. Juni 1944 99 Menschen von der SS ermordet. Die Opfer wurden in der Stadt an Laternen, Balkons und Fensterkreuzen aufgehangen. Sie sollten die Bevölkerung vor einer Zusammenarbeit mit der Résistance abschrecken.

Tausende Menschen waren gekommen, auch 60 Jahre nach dem Verbrechen. Wir reihten uns zusammen mit den Widerstandskämpfern in den Trauerzug mit ein. Ein älterer Herr ging die ganze Zeit neben uns und lauschte unseren Gesprächen. Ich bemerkte schnell seine Tränen in den Augen. Dann zog er sich seinen Ärmel hoch und zeigte uns eine Nummer und sagte nur: Auschwitz. Er gab uns dann seine Hand und lächelte freundlich und verschwand wieder in den Massen. Diesen Moment werde ich wohl nie wieder vergessen, alleine dafür hat sich die Reise schon gelohnt.

Am 10.Juni ging es dann nach Oradour (sur Glane). Unsere Anwesendheit hatte schon im Vorfeld heftige Diskussionen ausgelöst. Wir selber konnten noch am Abend vorher, eine zweistündige Sendung zum Thema im französischen TV sehen, wo sich doch einige Überlebende sehr negativ über unser Erscheinen äußerten. Auch 60 Jahre später sind die Wunden des Verbrechens noch nicht verheilt. Dennoch war der Empfang in Oradour sehr herzlich und freundschaftlich. Viele Menschen lächelten uns zu und suchten Gespräche mit uns. Die regionale Presse berichtet ausführlich über unseren Besuch. Zusammen mit einer Genossin und Gerhard Leo dufte ich den Kranz der deutschen Antifaschisten nieder legen. Dieses war für mich die größte Ehre in meinem bisherigen Leben. Besonders als das Lied der Résistance gesungen wurde, merkte man die Trauer, die Hoffnung und die Stärke dieser Menschen. Nach der Kranzniederlegung verbeugten wir uns vor den Menschen. Sie erwiderten diese Geste. Sie gaben uns die Verantwortung mit, den Kampf gegen Faschismus und Krieg weiter zu führen und die Ereignisse in Tulles und Oradour in Deutschland zu erzählen. Die vielen Gespräche mit den Überlebenden aus dem KZ Ravensbrück, mit den Überlebenden aus Oradour und den mutigen Kämpfern der  Résistance  geben uns viel Kraft für den Kampf gegen die Nazis in Deutschland und überall wo sie noch immer ihre Hetze verbreiten.

Diese Reise war für mich eine sehr wichtige Erfahrung. Oradour darf nie vergessen werden, dafür müssen wir „Jungen“ jetzt die Verantwortung tragen.

 

Links zum Thema: http://www.drafd.de

                               http://www.oradour.org

Thomas Schober Bad-Doberan (25) arbeitslos

 


 

zurück...

 

  E-Mail
Optimiert für Internet Explorer / Netscape ab Version 4.0, 15"-Monitore mit einer Auflösung von 800 x 600 Pixeln.