Ansprache von Gerhard Leo (DRAFD)

anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Versöhnen ist nicht Vergessen" am 2. Mai 2005 in der Mediengalerie

 

Meine Damen und Herren, liebe Freunde,

Im Namen des Verbandes DRAFD (Deutsche in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und in der Bewegung "Freies Deutschland") begrüße ich Sie ganz herzlich zur Eröffnung dieser Ausstellung. Sie dokumentiert eine, meiner Ansicht nach, beispielhafte Zusammenarbeit zwischen ehemaligen Teilnehmern am antifaschistischen Widerstand und jungen Menschen mit einem Ziel: das Bewusstsein für die Ursachen, die Geschichte und die ungeheuerlichen Verbrechen des Hitlerregimes schärfen und wach halten, damit nie wieder Diktatur, Intoleranz, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass triumphieren können.

Gemeinsam mit den Jugendlichen sind wir durch die Ruinen des kleinen Ortes Oradour-sur-Glane in der Haute Vienne gegangen, wo die SS-Division „Das Reich“ 642 Kinder, Frauen und Männer innerhalb von Stunden ermordete, und durch die Strassen von Tulle in der Corrèze, an deren Balkonen und Laternen 99 meist junge Einwohner erhängt worden waren. Das sind erschütternde Beweise für die Verbrechen des NS‑Regimes, die nie vergessen werden dürfen. Mit der Bevölkerung und den Repräsentanten der französischen Regierung haben wir Blumen an den Mahnmalen für die Opfer des deutschen Faschismus nieder gelegt.

Für uns, ehemalige deutsche Kämpfer in der Résistance, für Ernst Melis und mich, die während der deutschen Okkupation an der Seite des französischen Volkes standen, ist die tiefe Solidarität mit den französischen Opfern der Nazis eine Selbstverständlichkeit. Doch auch alle jüngeren und älteren Mitglieder unserer Delegation, die an den offiziellen Veranstaltungen zum 60. Jahrestag der Massaker in Oradour, Tulle und Limoges teilnahmen, haben entschlossen unseren Standpunkt der Freundschaft mit dem französischen Volk vertreten, bei voller Anerkennung der Verpflichtung der Deutschen, eine Wiederholung der Verbrechen der Vergangenheit zu verhindern. Diese klare Haltung der sehr jungen und der älteren Mitglieder unserer Delegation, die auch in der Ausstellung zum Ausdruck kommt, ist aufmerksam in Frankreich zur Kenntnis genommen worden, von unseren Kameraden, den ehemaligen Résistancekämpfern, von den Überlebenden der Massaker, aber auch von den französischen Behörden. Unsere Reise anlässlich des 60. Jahrestages der Verbrechen der SS im Limousin ist wie ein aufrichtiges Signal der Freundschaft aus dem Nachbarland aufgefasst worden.

In Deutschland wird diese Ausstellung anlässlich des Tages der Befreiung zu einem Augenblick gezeigt, da von mehreren Seiten ein Generalangriff in den Medien und in Reden einiger Politiker mit dem Ziel geführt wird, den Ausgang des zweiten Weltkrieges umzudeuten, aus Tätern Opfer zu machen. Wenn Neonazis in Berlin planen, am 8.Mai unter der Losung zu marschieren "Schluss mit der Befreiungslüge, Schluss mit dem Schuld‑Kult“, dann stehen sie nicht allein da. Es gibt Fraktionen der Neonazi-Parteien in zwei Landtagen; sie fordern, es sei nun an der Zeit einen Schlussstrich unter die Verbrechen des Naziregimes, vor allem unter die daraus erwachsenen Lehren zu ziehen. Ehemalige bundesdeutsche Generale haben jetzt einen Aufruf veröffentlicht, in dem sie den 8. Mai 1945 als „Tag der Niederlage“ unserer Wehrmacht" sowie „des Beginns der gewaltsamen Abrechnung der Sieger mit der Zivilbevölkerung und den deutschen Soldaten" beklagen. So ein gefährlicher Wahnsinn stößt auf Zustimmung auch in verantwortlichen Kreisen unseres Landes. Wie man sieht, sind noch sechs Jahrzehnte nach Kriegsende in den Köpfen von Unbelehrbaren Reste der verbrecherischen Ideologie vorhanden, die zu den Untaten in Oradour und Tulle geführt haben.

Von uns antifaschistischen Widerstandskämpfern, den natürlichen Gegnern jeder Form der Nazi-Ideologie, wird in wenigen Jahren keiner mehr leben. Das ist der Lauf der Dinge. Aber wenn dann auch einige der jungen Menschen, die mit uns in Oradour und in Tulle waren, ihre Stimme erheben für die Menschenrechte, gegen jede Rückkehr zur Barbarei, dann war unser Streben nicht umsonst.

 

Gerhard Leo ist Ritter der Ehrenlegion

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